MUSEUM EBERSWALDE
Ein barrierefreies Haus mit einer barrierearmen Ausstellung im ältesten Wohngebäude der Stadt
Birgit Klitzke, Leiterin des Museums Eberswalde*

Das Museum Eberswalde, bis zu seiner Wiedereröffnung nach dem Barrierefreiheits-Umbau »Museum in der Adlerapotheke«, ist ein stadt- und regionalgeschichtliches Museum zur Kultur- und Naturgeschichte von Eberswalde und dem Finowtal. Es geht zurück auf die Initiative des angesehenen Heimatforschers Rudolf Schmidt und des Vereins für Heimatkunde zu Eberswalde. Nach einer wechselhaften Geschichte befindet sich das Museum seit 1945 in Trägerschaft der Stadt.

Zu den herausragenden historischen Entwicklungen, mit denen sich das Museum befasst, gehört die Industrialisierung des Finowtals, deren Anfänge um 1700 ein Messingwerk und eine Eisenspalterei legten. Bereits 1532 war ein Kupferhammer in Betrieb genommen worden. Die Region gilt später als Wiege der brandenburgisch-preußischen Industrie. Erzählt wird auch die traditionsreiche Geschichte der forstlichen Lehre und Forschung, die 1830 mit der Eröffnung der Höheren Forstlehranstalt in Eberswalde begann und 1992 mit der Neugründung der Fachhochschule Eberswalde, heute Hochschule für nachhaltige Entwicklung, wiederbelebt wurde. Die 400-jährige Baugeschichte der einstigen Adlerapotheke lässt sich im Museum an verschiedenen Stellen erkennen: in der Schwarzen Küche, am ehemaligen Eckeingang, über dem eine vergoldete Adlerplastik thront, und an Holzbildtafeln einer Wandtäfelung aus dem achtzehnten Jahrhundert im früheren Wohnraum des Apothekers.

Eine besondere Attraktion des Museums ist die Gesamtnachbildung des 81 Teile umfassenden Goldschatzes von Eberswalde. Das Original wurde 1945 von einer Trophäenkommission der Roten Armee von Berlin nach Moskau verbracht, wo sich der Schatz bis heute befindet. Nach über sieben Jahrzehnten wurde er 2013 im Moskauer Puschkin-Museum erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der Fund von Eberswalde ist bis heute der größte, jemals in Deutschland entdeckte Goldschatz der Bronzezeit.

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Industrialisierungsgeschichte zum Anfassen

Das Museum Eberswalde ist seit 1997 in der ehemaligen Adlerapotheke beheimatet, dem ältesten Fachwerkwohnhaus der Stadt. Das Gebäude aus dem siebzehnten Jahrhundert, das seit 1986 leer stand und sich in einem erbärmlichen Zustand befand, wurde von 1990 bis 1997 saniert. Der Umbau erfolgte auf Beschluss der Stadtverordneten denkmalgerecht, aber noch ohne Berücksichtigung der Barrierefreiheit. Das Baudenkmal Adlerapotheke beherbergt derzeit neben dem Museum als Ausstellungsort das Sachgebiet Kunst und Kultur des Kulturamts, die Tourist-Information, die zugleich das Eingangsmanagement für das Museum organisiert, sowie die Museumsverwaltung. In einem Anbau aus dem neunzehnten Jahrhundert, dem Nordflügel, der ebenfalls nicht barrierefrei erschlossen war, wurden bis zum Umbau 2012 Sonderausstellungen des Museums gezeigt.

2003 schloss sich die Eberswalder Stadtverordnetenversammlung der Erklärung von Barcelona – »Die Stadt und die Behinderten« – an und rückte die Herstellung von Barrierefreiheit und umfassend verstandener Inklusion ins Zentrum ihrer stadtpolitischen Bemühungen. Die Umsetzung dieses Ziels wird im Konzept »Barrierefreie Stadt Eberswalde – Eine Stadt für Alle« ausformuliert. Vor diesem Hintergrund gab das Programm »Nachhaltige Stadtentwicklung des Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE/NSE)« den Anstoß, auch die Barrierefreiheit im Museum in die konkreten Planungen einzubeziehen.

Denn das Museum ist sowohl für die Einheimischen als auch für die Gäste der Stadt ein wichtiger Bezugspunkt. Es gehört zum vitalen Kulturangebot der Stadt und ist zugleich ein bedeutsamer Bildungsstandort. Die Barrierefreiheit des Gebäudes und die Erarbeitung einer neuen barrierearmen Dauerausstellung schafften es daher auf die Liste der Projekte, deren Förderung von der Stadt Eberswalde beim Land Brandenburg beantragt und erfolgreich eingeworben wurde.

STA 6632 Torsten StapelEröffnung des neuen Hauses

An der Umsetzung waren von städtischer Seite die Verwaltung, insbesondere die Beauftragte für soziale Angelegenheiten, das Amt für Stadtentwicklung, das Hochbauamt sowie das Kulturamt, einschließlich des Museums, beteiligt. Die planerische Betreuung der baulichen Aspekte am Gebäude übernahm das Projektbüro Dörner + Partner GmbH (Eberswalde), die Gestaltung der neuen Dauerausstellung Ranger-Design (Stuttgart). Die Untere Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Barnim begleitete das Projekt von den ersten Maßnahmen an über den gesamten Verlauf sehr kooperativ.

Der barrierefreie Umbau aller Geschosse einschließlich des Anbaus kostete 1,8 Millionen Euro, für die Umgestaltung der Dauerausstellung stand ein Finanzrahmen von 300 000 Euro zur Verfügung. Zum Internationalen Museumstag am 18. Mai 2014 wurde das Ergebnis den Eberswalder Bürgerinnen und Bürgern feierlich präsentiert.

Von der Idee über die Antragstellung bis zur Fertigstellung veränderte sich das Projekt maßgeblich. Zunächst war mit "barrierefreiem Zugang zum Museum" allein der An- oder Einbau eines Fahrstuhls gemeint. Einer Machbarkeitsstudie zufolge war der Anbau eines Fahrstuhls prinzipiell möglich und fand auch die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde. Dies hätte jedoch bedeutet, dass mobilitätseingeschränkten Personen der Zugang über den Haupteingang verwehrt geblieben wäre. Sie hätten mit dem Fahrstuhl einen Nebeneingang nutzen müssen, was völlig zu Recht nicht als diskriminierungsfreier Zugang zum Museum angesehen wurde. Dazu kam, dass mit der geplanten und erwünschten Erschließung des Dachgeschosses ein zweiter Rettungsweg vonnöten gewesen wäre.

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Der neue Eingang mit Adlerhorst und Aufzug

Als Lösung, die auch weitere Aspekte und Überlegungen wie Diebstahlsicherung, Brandschutz und Nutzbarmachung des Dachgeschosses berücksichtigte, wurde schließlich ein Anbau an das Museum mit Fahrstuhl und Treppenhaus bis zum Dachgeschoss entworfen. Das Erdgeschoss des neuen Treppenhauses wurde als Pavillon gestaltet und eröffnete so eine völlig neue Eingangssituation. Die Tourist-Information, die zugleich den Eintritt für das Museum Eberswalde organisiert, zog aus dem historischen Gebäude in den Anbau um, dessen Fläche entsprechend großzügig geplant wurde. Durch diesen Schritt entstand ein benachteiligungsfreier Zugang für alle Besuchergruppen, die Erschließung aller Geschosse des Gebäudes ist sichergestellt, eine gute Ein- und Auslasskontrolle gewährleistet.

Zudem wurde eine eindeutige Adressierung des Eingangs geschaffen, die im alten Bestandsgebäude fehlte. Zur Akzentuierung des Eingangs entschloss man sich darüber hinaus zu einem Wettbewerb für ein Kunstwerk auf dem Pavillon-Vordach. Der Siegerentwurf »Adlerhorst« von Maria Vill und David Mannstein nimmt die Geschichte und Gestaltungselemente des Gebäudes auf und lenkt – weithin sichtbar – die Aufmerksamkeit auf den neuen Eingang des Museums.

Durch den Anbau und die Verlagerung der Tourist-Information wurde im Bestandsgebäude ein Raum frei, der für die Einrichtung eines Sanitärtraktes einschließlich einer behindertengerechten Toilette genutzt werden konnte. Zum konzeptionellen Ansatz der barrierefreien Planungen für das Museum gehörte es, den Nordflügel, einen für Sonderausstellungen genutzten Seitenanbau, dem Publikumsverkehr zu entziehen. Sonderausstellungen finden nun im hinzugewonnenen Dachgeschoss statt, so dass im Nordflügel Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit verzichtbar sind.

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Die BerührBar: ein taktiler Zugang zur Ausstellung

Die Adlerapotheke hingegen wurde nicht nur für Mobilitätseingeschränkte, sondern auch für Sehbehinderte barrierefrei gemacht. Ein kontrastreiches und taktiles Blindenleitsystem erleichtert Sehbehinderten den Weg in und durch das Gebäude, ein taktiler Orientierungsplan im Foyerbereich ermöglicht Sehbehinderten und Blinden eine Übersicht. An diesem Punkt wird die Schnittstelle
zwischen Bau- und Ausstellungsplanung deutlich: Die neue Dauerausstellung des Museums Eberswalde setzt ebenfalls Aspekte der Barrierefreiheit um. So sind die Durchgangsbreiten rollstuhltauglich, für Sehbehinderte wurde im Dachgeschoss eine BerührBar eingerichtet: 14 Objekte machen den Museumsrundgang an dieser Station komprimiert erlebbar. Das Blindenleitsystem führt direkt zur BerührBar, nicht aber durch das gesamte Haus.
Außerdem bietet das Haus für den Museumsrundgang Audioguides in deutscher, englischer und polnischer Sprache an.
Was die Umsetzung der Barrierefreiheit angeht, setzt das Projekt also durchaus Grenzen. So wurde nur der Publikumsbereich des Museums und der Tourist-Information barrierefrei umgestaltet; der Verwaltungsbereich (Museum, Sachgebiet Kunst- und Kultur) blieb ebenso davon ausgenommen wie der bereits erwähnte Nordflügel.

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Das Leitsystem im Erdgeschoss (oben) sowie im Dachgeschoss (unten) der Adlerapotheke

In der Umsetzungsphase gab es vor allem in Hinblick auf die Gestaltung des Anbaus eine intensive öffentliche Debatte. Während die Untere Denkmalschutzbehörde des Landkreises Barnim keine Einwände gegen den modernen Anbau an das Baudenkmal hatte, wurde dies von den Einheimischen kontrovers diskutiert. Architektin und Stadtverwaltung ging es indes darum, den Neubau klar zu definieren und nicht so zu tun, als entspräche das erweiterte Haus der historischen Kubatur. Aus dem Nebeneinander von historischem Fachwerk und modernem Anbau ergibt sich eine anregende Spannung, die den Slogan der Stadt Eberswalde »Tradition trifft Moderne« sinnfällig zum Ausdruck bringt.

Die Zusammenarbeit zwischen Bauverwaltung, Behindertenbeauftragter, Unterer Denkmalschutzbehörde und Kulturamt war intensiv und stets von der gemeinsamen Suche nach einer Lösung geprägt. Sie erforderte von allen Beteiligten die Bereitschaft zur Kommunikation und auch Nachsicht, weil in der komplexen Gemengelage der involvierten Institutionen und Interessen Reibungen nicht immer zu vermeiden waren. Die Barrierefreiheit hat einen anderen Stellenwert als der Brandschutz, der mit seinen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Zweifel immer gegenüber den Belangen des Denkmalschutzes die Oberhand gewinnt. Umso stärker kommt es auf gegenseitiges Verständnis und die Nachvollziehbarkeit der Argumente an. Die frühzeitige Kontaktaufnahme aller Beteiligten sorgte jedoch in der gesamten Projektlaufzeit für ein vertrauensvolles Miteinander.

Die barrierefreie Gestaltung des Museums Eberswalde, einschließlich der Tourist-Information, ist ein wichtiger Baustein zur Umsetzung des Konzepts »Barrierefreies Eberswalde«. Das Museum konnte sich dadurch neue Besucherinnen- und Besuchergruppen erschließen, und der Anteil von Gästen mit Einschränkungen erhöhte sich.

Barrierefreies Bauen im Baudenkmal ist also möglich, und es liegt im wohlverstandenen Interesse des Denkmalschutzes: Denn je mehr Menschen die Denkmäler erleben können, desto tiefer wird das Bewusstsein für unsere Geschichte und das kulturelle Erbe in der Öffentlichkeit verankert. Für die weiterführende Arbeit des Denkmalschutzes im Sinne einer geschichtsbewussten Gestaltung der Zukunft ist dies die notwendige Basis.

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* Ich danke Dr. Stefan Neubacher, dem ehemaligen Leiter des Kulturamts Eberswalde, für inhaltliche Unterstützung.

aus:
"Barrierefreie Kulturdenkmale in Brandenburg - Eine Handreichung für die Praxis", Herausgeber: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM), 2020

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