Kunstwerke aus dem Nachlass des Heimatmalers Siegfried Kersten (1904-1998)

Wie so oft, findet das Schaffen eines Künstlers oder einer Künstlerin erst in den späten Jahren des Lebens oder sogar erst nach dem Tod die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. So hat auch der Eberswalder Künstler Siegfried Kersten seine Bilder zumeist verschenkt: sie hingen in Wohnungen und Arztpraxen, wurden zerstört oder sogar gestohlen und in einer Ausstellung waren sie erst im Jahr 1997, ein Jahr vor dem Tod des Künstlers (ⴕ23.07.1998), zu sehen.

Kerstens Schaffensdrang spiegelt sich in dem umfangreichen Nachlass wider, die der Regionalkünstler hinterlassen hat. Dem Museum Eberswalde und dem Kreisarchiv Barnim wurde ein Teil seines Nachlasses übergeben. Das Museum Eberswalde besitzt um die 60 Linoldrucke, 20 Rohrfeder-, Bleistift- und Kohlezeichnungen, zwei Collagen, eine Radierung und zwei Gouache, dazu knapp 15 Unterrichtsmaterialien der Gehörlosenhilfsschule Eberswalde sowie Zeitungsauschnitte, Postkarten und ähnliches von seinen Reisen. Ein weitaus größerer Teil des Nachlasses Kerstens (ca. 220 Objekte inkl. der Skizzenbücher) liegt im Kreisarchiv Barnim. Eine Zusammenführung des getrennten Bestandes ist anzustreben.

Vor allem seine Skizzenbücher ergänzen die Kersten-Sammlung des Museum Eberswalde. Siegfried Kersten klebt zu Lebzeiten immer wieder Zeitungsausschnitte in seine Skizzenbücher ein. Zumeist liest er die Tageszeitung „Neues Deutschland“. Der Künstler macht sich Notizen, er schreibt Gedanken, Gedichte und Sprüche auf und gibt so einen fast tagebuchähnlichen Einblick in sein Inneres und seine Interessen. Leider umfasst die Sammlung im Museum kaum Ölgemälde von Siegfried Kersten (im Kreisarchiv Barnim werden einige wenige Ölbilder, darunter zwei Selbstporträts bewahrt). Viele Kunstwerke wurden 1945 im Keller des Wohnhauses der Familie Kersten zerstört oder hängen heute in privaten Wohnungen. So befinden sich in der Kersten-Sammlung im Museum Eberswalde vor allem Linoldrucke und Federzeichnungen.

Hervorzuheben sind von seinen Werken zwei Linolschnitt-Zyklen: Einer, mit Eberswalder Stadtansichten, darin Motive wie der Finowkanal, der Marktplatz, die Maria-Magdalenen-Kirche und die Tierparkgaststätte. In einem weiteren Zyklus bebildert Kersten die Nationalhymne der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und Attribute der Friedensbewegung. Mit einer Reihe federgezeichneten Porträts gibt er einen Einblick in die typische Arbeitswelt in den Volkseigenen Betrieben (VEB). Siegfried Kersten malt gegenständlich und naturnah, nie abstrakt, - die Menschen, Tiere, Pflanzen oder Landschaften sind klar zu erkennen. Auch Lebenspraktisches ist dabei, wie das umfangreiche Übungs- und Anschauungsmaterial für die pädagogische Arbeit an der Gehörlosenhilfsschule. Darunter findet sich eine Fibel mit Handzeichen der Gebärdensprache, die er mit Linolschnitten illustrierte und vielfach druckte. Wie hilfreich dies zu jener Zeit für die Familien der Gehörlosenschüler*innen gewesen sein muss, können wir nur erahnen.

Siegfried Kersten hat seine Zeit in Eberswalde genossen, seinen Garten am Paschenberg, seine Lehrtätigkeit an der Gehörlosenhilfsschule, das Malen, Zeichnen und Drucken. Einen Teil seiner Arbeiten bewahrt das Museum Eberswalde in seinem Bestand.

Isabelle Fischer
(Fachpraktikantin im Museum Eberswalde 2021, Studiengang Kulturwissenschaften, FernUniversität Hagen)